Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Bisher hatte die Briefträgerin kein Smartphone. Nun hat sie eins: Postmail hat neue Scanner angeschafft. Es sind keine «Industriegeräte mit Laserstrahl» mehr, sondern eben schlaue Telefone und im Leihbesitz der Angestellten. Sie werden nach Hause mitgenommen und dürfen bedingt auch für den persönlichen Gebrauch verwendet werden. Eine Pflicht zur Dauerverfügbarkeit der Postangestellten dagegen wird ausdrücklich verneint.
«Wir sind auf die effiziente Nutzung der Zeit abgerichtet.»
GESICHTSERKENNUNG. Die letzten Monate waren geprägt von Gefluche: «Dä Schiss-Scanner!» Hin und wieder in einer Atempause am Gestell dachte die Briefträgerin: «Hintergrund dieses Geschimpfes ist wieder die Zeit, auf deren effiziente Nutzung wir abgerichtet wurden. So dass wir nicht in Ruhe abwarten können, bis der Scanner eine App geöffnet oder eine Anfrage beantwortet hat. Immer, wenn etwas nicht wie am Schnürchen läuft, ertönen die Flüche. Nicht normal, oder?»
Der neue Scanner ist schnell. Und damit er noch schneller wird, kann alternativ zum Passwort ein Fingerabdruck gespeichert oder eine Gesichtserkennung aktiviert und zum Beenden des Standby-Modus verwendet werden. Der Briefträgerin sträuben sich die Haare, als sie das vernimmt. Der Noch-Teamchef, jung und souverän, quittiert ihren Einwand: «Ihr müsst nicht, aber ich empfehle euch aus Zeitgründen, eine der beiden biometrischen Methoden anzuwenden.» Auf dem Beipackzettel liest die Briefträgerin, dass sowohl Fingerabdruck, wie Gesicht nur lokal auf dem Gerät gespeichert werden. Das mag die Regel sein. Gibt es Ausnahmen? Was machbar ist, kann gemacht werden. Auf richterlichen Befehl hin, via Notrecht oder aus anderen Gründen.
FAST NIE VERTIPPT. Ausser der Briefträgerin gibt solches anscheinend niemandem zu denken. Die Schulung widmet sich anderen Themen.
Die Flüche sind seit der Einführung des neuen Scanners seltener geworden und haben andere Gründe. Und die Briefträgerin ist schon ganz geschickt im Umgang mit dem neuen Gerät. Bei der Eingabe des Passwortes vertippt sie sich fast nie.